Kolostrum - Drops of Life
Wertvolle Inhaltsstoffe
Unter Experten besteht kein Zweifel daran, dass Kolostrum, die erste Milch, die Mütter zu Beginn des Stillens produzieren, die ideale Nahrung für ein Neugeborenes ist. Seine einzigartige Zusammensetzung ist auf die spezifischen Bedürfnisse des Säuglings in den ersten Stunden und Tagen seines Lebens zugeschnitten. Kolostrum ist dicker und deutlich gelber1 als reife Muttermilch und enthält Nährstoffe in hochkonzentrierter Form. Es ist reich an Proteinen, aber fettarm, was die Verdauung erleichtert.2 Vor allem spielt es eine entscheidende Rolle beim Aufbau des empfindlichen Immunsystems des Säuglings und bei der Förderung der gesunden Entwicklung des Babys. Tatsächlich wurde Kolostrum manchmal als „erste Impfung“ bezeichnet.
KLEINE MENGE, GROSSE WIRKUNG
Diese Tröpfchen sind im wahrsten Sinne des Wortes sehr wertvoll – und ihre Knappheit macht sie umso wertvoller: Nach der Geburt steht dem Säugling Kolostrum in der Regel nur in den ersten drei bis fünf Tagen zur Verfügung, bevor sich die Muttermilch zur Übergangs- und später zur reifen Milch entwickelt3 – mit einer Ausnahme: Untersuchungen haben ergeben, dass Kolostrum bei Müttern von Frühgeborenen tatsächlich länger produziert werden kann. Angesichts der Bedeutung der schützenden Eigenschaften von Kolostrum insbesondere für empfindliche Säuglinge ist dies natürlich sehr sinnvoll. Um sicherzustellen, dass diese Säuglinge so viel wie möglich von den einzigartigen Inhaltsstoffen des Kolostrums profitieren können, ist es entscheidend, dass sie das Kolostrum ihrer Mutter erhalten – unabhängig von der allgemeinen Stillsituation und Entscheidung.4
„Es ist kaum zu begreifen, wie gut die Wirkung von Kolostrum auf ein krankes Kind ist. Die Inhaltsstoffe sind zu zahlreich, um sie aufzulisten.“
Serena Debonnet, Hebamme, Stillberaterin und BFHI-Koordinatorin, Belgien
- Leukozyten, die Antikörper produzieren, um Bakterien und Viren zu neutralisieren.5 Dies ist insbesondere für Säuglinge mit unreifem Darm relevant und kann Durchfall verhindern.
- sIgA-Antikörper, die den Magen-Darm-Trakt des Säuglings auskleiden.6 Sie siedeln sich konzentriert in der Schleimhaut des Darms und des Atmungssystems an und schützen den Säugling vor Erkrankungen, die die Mutter bereits durchgemacht hat.
- TGF-beta- und Insulin-ähnliche Wachstumsfaktoren, die das Wachstum schützender Schleimhautmembranen im Darm des Säuglings stimulieren, helfen bei der Gewebereparatur nach Stress und können die Darmzellapoptose (Zelltod) reduzieren.7
- Präbiotika, wie humane Milch-Oligosaccharide (HMO), im Kolostrum ernähren die „guten“ Bakterien im Darm von Säuglingen und bauen sie auf.8
- Vitamine schützen und helfen dem Säugling Infektionen selbstständig zu bekämpfen. Sie können beispielsweise Vitamin A produzieren, das für die visuelle Entwicklung wichtig ist.9
- Mineralien, z. B. Magnesium, Kupfer und Zink. Während Magnesium das Herz und die Knochen unterstützt, tragen Kupfer und Zink zur Entwicklung des Immunsystems des Säuglings bei.10,11 Zink unterstützt ebenfalls die Entwicklung des Gehirns und im Kolostrum ist fast viermal mehr Zink enthalten als in reifer Milch.
- Laxanzien helfen dem Säugling, seinen ersten Stuhlgang zu bekommen, wodurch Mekonium ausgeschieden 12 und das Risiko von Neugeborenen-Gelbsucht reduziert wird.13
Wertvolle Vorteile
Die Vorteile des Kolostrums sind für Frühgeborene und kranke Säuglinge von entscheidender Bedeutung. Die einzigartige Fähigkeit der Muttermilch, sich an die Bedürfnisse des Säuglings anzupassen, ist hier besonders wichtig. So wurde beispielsweise bei Müttern mit Kaiserschnitten eine höhere Konzentration des transformierendem Wachstumsfaktors (TGF)-Beta nachgewiesen, der die sekretorische IgA-Produktion15 anregen und die Homöostase und Entzündungen16 regulieren kann.17 Dies ist insbesondere bemerkenswert, da ihre Säuglinge nicht der ausgeprägten Mikrobiota/ Mikroflora einer vaginalen Entbindung ausgesetzt waren. Daher kann die Fütterung von Kolostrum die negativen Auswirkungen von Pathogenen verhindern, die nach einem Kaiserschnitt oft den Magen-Darm- Trakt des Säuglings besiedeln.
MEHR KOLOSTRUM, WENIGER INTERVENTION
Insbesondere das Kolostrum von Müttern frühgeborener Säuglinge enthält mehr Inhaltsstoffe für die Immun- und Nährstoffsignale als die Muttermilch termingeborener Säuglinge.18 Es hat einen niedrigeren Fettgehalt als das Kolostrum von Müttern termingeborener Säuglinge, aber einen deutlich höheren Proteingehalt.2 Frisches Kolostrum ist unglaublich reich an immunologischen Komponenten wie sekretorischem IgA,6 Lactoferrin,19 Leukozyten,5 epidermalem Wachstumsfaktor20 – und fördert das Wachstum der Darmschleimhaut. Pasteurisierte reife Spendermilch, die Frühgeborenen häufig in den ersten Stunden und Tagen verabreicht wird, kann schlichtweg nicht die gleichen Vorteile bieten. Tatsächlich reduzieren die Milch der eigenen Mutter (OMM) und das Kolostrum verglichen mit künstlicher Säuglingsnahrung das Risiko multipler Morbiditäte: nekrotisierende Enterokolitis (NEC),21–24 Sepsis25, bronchopulmonale Dysplasie (BPD),26 Frühgeborenen-Retinopathie (ROP)27 sowie neurologische Entwicklungsstörungen28. Das Risiko einer Rehospitalisierung wird hierbei ebenfalls reduziert.
Im Gegensatz dazu reduziert Spendermilch eine NEC nur dann, wenn sie die Säuglingsnahrung in den ersten Tagen ersetzt.29,30 Die Milch der eigenen Mutter erreicht schnellere Wachstumsergebnisse als Spendermilch und erfordert
MEHR AUFWAND, MEHR NUTZEN
Deshalb müssen alle Mütter dabei unterstützt werden ihren Babys frühzeitig Kolostrum zu geben. Frühgeborene können jedoch aufgrund der Unreife und/oder des Bedarfs an Atemunterstützung zu Beginn häufig nicht effektiv trinken und saugen. In diesen Fällen deuten Forschungsergebnisse darauf hin, dass eine orale Therapie Abhilfe schaffen könnte (siehe unten). Die Aufnahme von Kolostrum trägt nicht nur dazu bei, den Säugling vor Pathogenen zu schützen, sondern beschleunigt auch den Übergang zur vollständigen enteralen Ernährung: Veröffentlichte Studien4,7,31 belegen eine höhere Fütterungsverträglichkeit bei Säuglingen, die oral Kolostrum erhalten. Diese Praxis hilft auch bei der Aufnahme von Nährstoffen und der Darmmotilität.
„Bei Kolostrum sind Informationen entscheidend. Alle Mütter müssen verstehen, warum es so wichtig ist, dass diese wenigen Tropfen ihr Baby schützen.“
Serena Debonnet, Hebamme, Stillberaterin und BFHI-Koordinatorin, Belgien
Was: Anwendung kleiner Mengen (0,1–0,2 ml) Muttermilch in die Wangen des Säuglings, beginnend innerhalb von 24 Stunden nach der Geburt bis zum Beginn der oralen Nahrungsaufnahme.32–36 Als regelmäßige Mundpflege für Säuglinge, die oral noch keine Nahrung aufnehmen (NPO, Nil-per-Os, nichts durch den Mund), und orale Stimulation für nicht-nutritives Saugen (NNS). Bei enteraler Ernährung wird empfohlen, alle 3–6 Stunden zu füttern.
Warum: Kolostrum und Vormilch weisen einen hohen Gehalt an immunologischen, antiinfektiösen und entzündungshemmenden Faktoren auf. Die orale Therapie gilt daher als eine Form der Immuntherapie.32–34 Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass die orale Therapie die Bindung stärkt, die mütterliche Zuversicht fördert35 und Mütter motiviert, weiterhin Milch für ihren Säugling abzupumpen und die Stillrate zu erhöhen.36 Die Forschung zum klinischen Nutzen entwickelt sich ständig weiter. Bislang wurde diese Praxis mit einem Rückgang der Inzidenz von NEC 37,38, einer spät auftretenden Sepsis37,38, einer Verkürzung der Tage bis zur vollständigen enteralen Ernährung37 und kürzeren Krankenhausaufenthalten sowie besseren Ernährungsbedürfnissen39 in Verbindung gebracht. Daher empfiehlt sich die orale Behandlung als Routineversorgung für Frühgeborene auf der neonatologischen Intensivstation38.
Wie: Mit einem mit Kolostrum/Muttermilch bedeckten Tupfer oder einer 1-ml-Spritze, die mit 0,1–0,2 ml Muttermilch der eigenen Mutter gefüllt ist, sollten kleine Mengen Muttermilch in die Wangen des Säuglings in Richtung des hinteren Oropharynx für mindestens 10 Sekunden aufgetragen werden. Im Idealfall wird die Mutter angewiesen, nach jedem Abpumpen mit frischem Kolostrum/Muttermilch eine Mundpflege durchzuführen. Achten Sie darauf, dass Mütter frühzeitig (innerhalb von 3 Stunden nach der Geburt) und häufig (8 oder mehr Mal innerhalb von 24 Stunden) abpumpen, um Muttermilch zur Verfügung zu haben.
Frisch ist am besten
Vorzugsweise sollte dem Säugling Kolostrum gegeben werden, um von allen darin enthaltenen einzigartigen Inhaltsstoffen zu profitieren. Lebende Stammzellen zum Beispiel, die die erstaunliche Fähigkeit haben, Reparaturprozesse im Körper in Gang zu setzen,5 sind in gekühltem oder gefrorenem Kolostrum nicht zu finden, nur in frisch gewonnenen Tropfen.52
DIE ORALE PFLEGE MIT KOLOSTRUM IST SICHER, KOSTEN-GÜNSTIG, REALISIERBAR UND SELBST FÜR SÄUGLINGE MIT EINEM GEWICHT VON UNTER 1000 G GUT VERTRÄGLICH.33,35,36
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